Alben & Lieder

Reden

1968, Text/Musik: Georg Kreisler

Jeden Abend halt ich Reden
ganz alleine unter den Reseden;
jeden Morgen mach ich Knickse
dem Herrn Chef und seiner neuen Schickse.
Jeden Abend tief im Zimmer
revoltier ich bei der Lampe Schimmer;
und am Tag bin ich phlegmatisch
und find alles wieder demokratisch.
Aber einmal kommt es umgekehrt,
ich knicks, wenn ich mich selber treff,
schrei, bis sich mein Chef zum Teufel schert,
dann nehm ich mir seine Geliebte ins Bett und dann bin ich mein eigener Chef!
Aber noch ist nicht die Zeit da-
meine Knickse gehen immer weiter,
und ich red nur abends scharf,
weils der Chef nicht wissen darf.

Nun, ich hab einen Sohn, und der sagte mir schon:
Daß du redest, macht niemand Beschwerden.
du liegst auf der Lauer, und die Suppe wird sauer,
denn fett kann sie so ja nicht werden.
Du mußt dich bequemen und was unternehmen,
sonst kriegst du eins hinter die Löffel!
Warum sollst rackern und schwitzen und ackern
und der Chef, weil er Chef ist, soll scheffeln?
Darauf sag ich: Mein Kind, das geht nicht so geschwind,
denn die Welt ist bekanntlich sehr bös.
Du wirst mich nicht verleiten, zu Taten zu schreiten,
daß ich rede, macht mich schon nervös.

Doch ich rede zu den Bäumen
von Vergangenheit und Zukunftsträumen.
Ich laß mich nicht unterdrücken!
Ich droh allen - hinter ihren Rücken,
schließe abends Schloß und Riegel,
rede lang und laut mit meinem Spiegel;
der ist gut als Mitarbeiter:
Der hört zu und sagt es niemand weiter.
Jeder glaubt, daß ich zufrieden sei
mit Kindergeld, mit Stundenlohn,
doch ich denke nur an Meuterei,
Verderben, Gerechtigkeit, Streik und Krawalle, Proteste und Revolution!
Jeden Abend halt ich Reden
ganz alleine unter den Reseden;
unzensiert und ungestört -
ich bin froh, daß man's nicht hört.