Alben & Lieder

Aus blauem Glase

1968, Text/Musik: Georg Kreisler

Da gibt es einen alten Vers, drin heißt die letzte Phrase –
vielleicht erinnern Sie sich dran! – die war aus blauem Glase.
Der Vers war nicht sehr stubenrein. Er stand nicht in Kalendern.
Heut würde er vielleicht drinstehn. Wie sich die Zeiten ändern.

Aus blauem Glase macht man heute gar nichts.
Man fügt sich, begnügt sich
mit Natron, Terrakotta und Zinnober –
Herr Ober: Ein Bier.
Die Zeit der blauen Gläser ist vorüber.
Es starben die Farben.
Da kann man, was man will, darüber schreiben,
sie bleiben Papier.

Drum sprich nicht mit den Mädchen, denn dazu ist es zu spät.
Sie würden nicht einmal kichern, denn: Wer kichert, der versteht.
Sie würden dich nichts fragen, denn sie fänden gar nicht hin.
Und antworten wär völlig ohne Sinn.

Aus blauem Glase macht man heute gar nichts.
Nur Plastik, ganz hastig.
Die blauen Gläser liegen in der Lade,
gerade wie wir.

Der Fluß, in dem man baden will, der ist bereits geflossen.
Man greift nach einem Stern, jedoch das Fenster ist geschlossen.
Die Zeit, die man sich stehlen will, die hat schon wer gestohlen.
So nickt man in sich selbst hinein und kann nur wiederholen:

Aus blauem Glase macht man heute gar nichts.
Aus Leder, will jeder.
Die paar, die sich nach blauem Glase sehnen,
sind denen egal.
Die Zeit der blauen Gläser ist vorüber,
ich glaube, im Staube.
Die Kinder sehn sie dort an schönen Tagen
und fragen manchmal.

Drum erzähle nicht das Rätsel, das es seinerzeit schon gab
und wisse nicht die Lösung – sie ist düster wie das Grab.
Auch die Tränen sind nichts anderes als die Träume des Gesichts.
Und sei nicht egoistisch – hoffe nichts!

Aus blauem Glase macht man heute gar nichts.
Die Alten, zerknallten.
Und morgen haben wir immerhin Oktober.
Herr Ober: Ich zahl.