Georg Kreisler über die Schweiz

"Ich bin Wahlbasler, und wenn man etwas freiwillig wählt, muss es einem ja gefallen. Folglich gefällt mir die Schweiz, so wie sie ist. Da wir aber in einer Zeit der zwingenden und erzwungenen Veränderungen leben - wohlgemerkt: nicht etwa des Fortschritts, nur der Veränderungen - lautet mein Wunsch an die Schweiz: Bitte nichts ändern! Keinen EU-Beitritt, keine Nato, UNO, WEU, EWR und wie die irreführenden vereinsmeierischen, maschinenfreundlichen, buchhaltermentalitätsunterstützenden, menschenkaltstellenden Abkürzungen alle heissen mögen. Kein Brüssel, kein Kohl, kein Schröder, kein Siemens! Stellt euch vor, ihr wärt in der EU und Brüssel würde befehlen: Sofort zwei Milliarden in den amerikanischen Holocaust Fund, keine Widerrede! Und ihr müsstet zahlen. Liebe Schweizer Freunde, tut euch das nicht an! Und mir schon gar nicht! Bleibt autonom! Ordnet euch nicht unter! Geht notfalls auf die Barrikaden! Dazu sind letztlich die diversen Jubiläumsfeiern da: um an die Barrikaden zu erinnern. Ich weiss, ich befinde mich da zumindest teilweise in schlechter Gesellschaft. Aber lieber schlechte Gesellschaft als brave Untertanen. Lieber Rechthaberei als Rechtschreibreform. Gut, ich bin Ausländer, es geht mich nichts an, ich nehme alles zurück. Muss ich halt notfalls wieder auswandern! Wollt ihr mir das wirklich antun?"

Aus dem Tagblatt vom 18.07.1998 (Copyright by St.Galler Tagblatt)