Alben & Lieder

Wo der Pfeffer wächst

1983, Text/Musik: Georg Kreisler

Normalerweise steht bei mir ein Steinway
von hellem Ton und glänzendem Furnier.
Doch jetzt tut die Musik in Mark und Bein weh,
denn bei mir steht ein verstimmtes,
auch im Ausseh’n sehr getrimmtes,
ein ganz besonders hässliches Klavier.

Ja, ich muß Sie mit Geräuschen jetzt enttäuschen,
denn Musik kommt aus dem Kasten nicht heraus.
Doch Sie werden mir verzeih’n.
Ich lad’ Sie herzlichst ein.
Fühlen Sie sich trotzdem wie zu Haus!

Wo der Pfeffer wächst, da wachsen keine Flügel mehr,
wo der Pfeffer wächst, wächst höchstens noch die Bundeswehr
und die Luftverschmutzung und der Polizeistaat
und was sonst ein deutsches Pfefferherz begeischtart.
Wo der Pfeffer wächst, da wachsen braune Menschen nach,
und Fabriken und Computer und der Neid.
Und das Fernsehn sendet täglich einen längst bekannten Text,
und der Pfeffer wächst und wächst und wächst und wächst.

Die Liebe ist bei Tageslicht verboten,
das Gefühl: Nur eine Frage des Verstands.
Man hüte sich vor Ausländern und Roten,
man pflege die Genauigkeit
und meide jede Traurigkeit
und Heiterkeit, Humor und Toleranz!

Das höchste aller Güter bleibt die Heimat,
und wer sie kritisiert, der soll’s bereu’n.
Jugend ist gefährlich.
Weihnachten kommt jährlich.
Das Leben ist nicht da, um sich zu freu’n!

Wo der Pfeffer wächst, da wachsen wenig Wohnungen,
dafür üppige Bespitzelungsbelohnungen,
ein Atomkraftwerk, das bisher nur bankrott war,
und ein Bundeskanzler, der bei der HJ war.
Wo der Pfeffer wächst, geht alles nach Gerechtigkeit,
denn man kommt als Polizist schon auf die Welt.
Der Verfassungsschutz weiß immer, was du planst und wo du steckst,
und der Pfeffer wächst und wächst und wächst und wächst.


Es lebe der gesunde Egoismus –
nur dazu haben wir’s zu was gebracht!
Auch ohne Juden, Antisemitismus
und die Baumbestandsverminderung,
die Kinder spiel’n Verhinderung,
das hat uns bisher keiner nachgemacht!

Ein Bild wird nicht gemalt, sondern gelesen,
ein Schüler nicht gelehrt, sondern gequält.
Ein guter Mensch hat’s eilig.
Der Muttertag ist heilig.
Der Bundespräsident wird nicht gewählt!

Denn wo der Pfeffer wächst, da kommt man zwar zum Wählen raus,
doch die Politiker, die wählen sich vorher selber aus.
Wer was erreichen will, der muß in der Partei sein,
auch geschäftlich muß er da und dort dabei sein.
Wo der Pfeffer wächst, geht alles demokratisch zu,
vorausgesetzt, du hast genügend Geld.
Jede Meinung darfst du haben – wenn du artig sie versteckst,
und der Pfeffer wächst und wächst und wächst und wächst.
Sag mir einfach dein Berufsziel, und ich sag dir, wen du leckst,
und der Pfeffer wächst und wächst und wächst und wächst und wächst und wächst...