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Was ein Mensch alles schlucken kann
1968, Text/Musik: Georg Kreisler
Bös san mer alle miteinander,
das steht schon lange fest.
Roh san mer alle miteinander,
wenn uns nur jemand roh sein lässt.
Doch es ist ungeheuer,
ich wird total verruckt,
nicht wenn ich seh’, was einer anstellt,
nein: wenn ich seh’, wie viel er schluckt!
Was ein Mensch im Verlauf seines Lebens alles schlucken kann,
verdrucken kann,
machet einen riesengroßen Berg.
Was ein Mensch im Verlauf seines Lebens alles zwingen kann,
verschlingen kann,
Schadenfreude, Lästerungen,
Lügen und Beleidigungen –
das nennt er dann stolz sein „Lebenswerk“.
Find’t er nirgends Symphatie: das schluckt er.
Zeigt die Gattin Hysterie: das schluckt er.
Sagt der Chef: "Sie blödes Vieh:" das schluckt er auch.
Und dadurch, daß ein Mensch, was er immer wieder fressen muß,
vergessen muß,
steigert sich sein täglicher Verbrauch.
So kriegt er mit der Zeit ein’ großen Bauch.
Mir tut schon der Magen so weh von den Schlägen,
die ich schluck mit der Zeit;
aber ich hör nicht auf mit dem Kau’n, und ich stau’n:
Wir bekommen alle noch größere Mägen.
Wir werd’n noch Fragezeichen und Wasserleichen verdau’n.
Da werd'ts schaun!
Was ein Mensch im Verlaufe seines Lebens alles schlucken kann,
verdrucken kann,
das macht ihm kein andrer Vogel nach.
Was ein Mensch im Verlaufe seines Lebens alles pampfen muß,
verkrampfen muß,
Wendepunkte, Rattenfänger,
Pudels Kerne, Doppelgänger,
niemals liegt die Speiseröhre brach.
Ist es wieder einmal Mai,
das schluckt er.
Braucht man ihn als Papagei,
das schluckt er.
Seine eig’ne Innerei schluckt er im Nu.
Was ein Mensch im Verlaufe seines Lebens alles schlucken kann,
verdrucken kann,
macht ein infernalisches Ragout.
Und lächeln muß er außerdem dazu.
Jeden Anzug, der nicht passt,
den schluckt er.
Jeden abgesägten Ast,
den schluckt er.
Jedes Nein und jedes Ja,
schluckt er.
Sagt man "Leider nur beinah",
schluckt er.
Alle Träume und Gesichte,
schluckt er.
Alle Maße und Gewichte,
schluckt er.
Räuber schluckt er, Diebe schluckt er.
Lotterie und Liebe schluckt er.
Was ein Mensch im Verlaufe seines Lebens alles schlucken kann,
verdrucken kann!
deshalb ist die Welt schon ziemlich leer.
Er schluckt sich schwarz und schluckt sich rot.
Er schluckt sich g’sund und schluckt sich tot.
Und schluckt im Grab noch weiter,
nur er spürt’s nicht mehr!