Alben & Lieder

Ohne Geld

1971, Text/Musik: Georg Kreisler

Ich gehe durch die Stadt und suche schon seit Stunden
nach Sehenswürdigkeiten – aber alle sind verschwunden.
Man sieht heut ganz was andres ringsumher
in jedem kultivierten Häusermeer,

nämlich Banken. Überall Banken, D-Mark und Franken, Dollar und Pfund.
Börsen voll Kontroversen stoßen ins Elend und stoßen gesund.
Hier ist einer froh, der zwei Pfund Bohnen hat,
sonst nichts zu fressen hat und nichts zu wohnen hat.
Dort ist einem mies, der zwei Millionen hat,
denn früher, da hatte er zehn!
Pleiten auf allen Seiten, aber sie streiten, geben nichts her.
Alle sind in der Falle, machen Krawalle, wollen noch mehr.
Tatteriche, die nach Brocken haschen
und in feuchten Küchen ihre Socken waschen,
oder Fraunbeschützer, die Milliarden spenden,
dann als Hausbesitzer die Mansarden pfänden,
und die Angestellten, die Prognosen machen,
dann vor Rechtsanwälten in die Hosen machen...

So windet sich jedes Jahrhundert vergebens
und dreht sich stets wieder ums Gold.
Wer hat diese Drehung am Anfang des Lebens
von uns armen Menschen gewollt?

Unsre Technokratie ist famos,
nur die Kosten sind immer zu groß.
Ach, wie wunderbar wär eine Welt
ohne Geld, ohne jedes Geld.

Im Caféhaus bestellt man sich keck
jeden Morgen sechs Eier mit Speck,
denn der Ober bringt, was man bestellt,
ohne Geld, ohne Geld.

Auch im Büro wäre alles viel leichter.
Auf mein Zuspätkommen wär man geeichter.
Wenn mich der Chef nur erblickt, dann erbleicht er,
stellt die Frage mir schnell, ob ich irgendwas will,
ob mir immer noch alles gefällt.

Nach der Arbeit geh ich nicht nach Haus,
sondern ruh mich am Swimmingpool aus,
den der Chef dort für alle erstellt
ohne Geld, ohne Geld.
Und wenn ich dort ein Fräuleinchen sehe,
und wir schließen eine Ehe,
doch die Ehe ist zähe, sie krankt und sie schwankt und sie fällt,
dann sag ich: Schätzchen, mach keine Mätzchen,
ich lieb nur dich auf dieser Welt!
Doch für’n Zerwürfnis fehlt mir’s Bedürfnis.
Worüber sollten wir denn streiten ohne Geld?


Haha, willst du Reichtum? Den kann ich dir bieten:
Goldene Uhren, herrliche Kunst,
ein Scheichtum oder feste Renditen,
auch Professuren, alles umsonst.
Möchtest du das Mutterkreuz mit einem Federbusch,
einen Trompetentusch auf hohem C,
oder eine Reise nach dem Hindukusch,
und oben ein Schweizer Chalet?
Möchtest du Klunker? Frühere Bunker? Preußische Junker? Pelze gewischt?
Oder nackte Riesensmaragde? Wirtschaftskontakte? Alles für nischt!
Die Geschäftsbetriebe sind ein Trümmerhaufen,
und selbst wahre Liebe kann man nimmer kaufen.
Es gibt Wasserpfützen unter Weihnachtsbäumen,
wo noch Prasser sitzen, die noch weiter träumen.
In den tiefsten Gossen kriechen Staatsjuristen
und studiern verdrossen die Betrügerlisten.

Doch nicht nur die menschlich-persönliche Bindung
ist anders und glücklich und blind,
nein, auch Staatsmänner preisen die neue Erfindung,
obwohl sie jetzt arbeitslos sind.

Will der Nixon in Asien nen Markt,
gibt es niemand, der ihm das verargt.
Er kann handeln dort, was ihm gefällt
ohne Geld, ohne ein Pfennig Geld.

Wolln die Russen mal in die Tschechei,
dann ist nicht das geringste dabei,
weil nur ein Trottel ein Land überfällt
ohne Geld, ohne Geld.

Auch hat kein Mensch auf der Erde mehr Hunger,
ob Indianer, Albaner, ob Ungar.
Ja, selbst in China ein Mao Tse Tunger
kriegt ne Schale mit Reis, ein Pistazieneis
und was sonst Vitamine enthält.

Jede Bank wird ein Museum mit Bar
(insofern sie noch nicht eine war),
das Finanzamt gesetzlich geprellt
ohne Geld, ohne Geld.

Wie Mephisto schon sagte zu Faustus:
Wenn du’s nicht hast – na, dann klaust du’s.
Und so klaut man noch mehr hin und her kreuz und quer durch die Welt...
Klaut einer’n Pfläumchen von einem Bäumchen,
schenkt man ihm gleich das ganze Feld.
Klaut einer Dollar: Na gut, dann soll er!
Es kann auch jeder Präsident sein,
kann Autobahnenkonsulent sein,
für die Bundeswehr sein,
Parlamentär sein,
er kann der größte Millionär sein
ohne Geld.
Das wär was!