Alben & Lieder

Nebenan

1965, Text/Musik: Georg Kreisler

Sicherlich haben Sie schon von den alten Tanten gehört.
Und ihrem Tangokonzert mitten in der Nacht.
Sicherlich glauben Sie, ich hab' mir das damals halt so irgendwie ausgedacht.
Und mich nur lustig gemacht mitten in der Nacht.
Aber eins steht fest: die alten Tanten, die tanzen noch immer.
Und nur wir Blöden,
wir sitzen und reden
von Revolution
oder Evolution.
Der Stuß des Gedrängels
um Marx oder Engels
wird jeden Tag schlimmer.
Und jeder weiß
vor lauter Fleiß
gehn wir im Kreis.

Nebenan, man muß nur wissen, wie man hinkommt,
nebenan, in einer obdachlosen Zeit,
nebenan, wo man zu Gott nicht auf den Knien kommt,
gibt's nicht nur Regeln und Raison,
Organisation,
funktionelle Ämter und Gewissenhaftigkeit.

Nebenan fließt eine Welt der Kompromisse,
wo keiner kann und keiner muß und keiner mag.
Nebenan, in einer flüchtigen Kulisse,
spielt sich das Leben langsam ein,
wie bei Papageien,
nur, daß man ein Mensch ist, aber das den ganzen Tag.

Man setzt kein Beispiel,
denn jeder Leistungsdruck wär lächerlich und banal,
man spielt ein Freispiel
und bleibt sich nah
und durch die unbegrentzten Flüge
wächst das Bedürfnis nach Gefüge.
Es fehlt nur eines: das alles erklärende letzte "ja".
Das ist nicht da.
Es gibt kein "ja",
und da's kein "ja" gibt, gibt's kein "nein"
auch kein "vielleicht" und kein "mag sein".
Es gibt nur ein "nebenan".

Das Nebenan ist allumfassend.
Nebenan ist gleich ums Eck und dann gradaus.
Nebenan, das Wort ist sicherlich nicht passend.
Doch Wörter läßt man ohnehin zuhaus.
Wozu denn Wörter,
wenn Hypothesen oder Hoffnung verläßlicher sind?
Sie machen härter
und klagen an.
Man kann am Wörterbuch erblinden
statt zu vergessen und zu finden.
Damit wär alles gesagt, was ich dazu sagen kann.
Wir seh'n uns dann
halt irgendwann
am dritten Baum
in meinem Traum
gleich nebenan.