Alben & Lieder

Max

1963, Text/Musik: Georg Kreisler

Er stammte aus der allertiefsten Gosse,
und das erklärt am besten sein Niveau.
Er blieb auch stets ein mieser Zeitgenosse
und wußte selber nie genau, wieso.
Am liebsten fand er irgendwen mit Krücken,
dem stellte er dann hinterrücks ein Bein.
Dann fiel der arme Mann auf seinen Rücken,
und er brauchte sich höchstens noch zu bücken,
und was er in den Taschen fand, war sein.
Er brach von Zeit zu Zeit in eine Wohnung
und stahl dort einen Ring für seine Braut.
Er fand verlor‘ne Hunde für Belohnung –
die hatte er natürlich selbst geklaut.
Er fälschte sogar einmal die Papiere
für einen blinden Bettler aus Madrid.
Bei kleinen Sachen stand er manchmal Schmiere,
bei großen Sachen nahm man ihn nicht mit.
Es wäre auch sein Leben immer weiter so verronnen,
denn das Leben ist eine Sache des Geschmacks.
Doch eines Tages war er plötzlich schrecklich unbesonnen,
und da sagte er was Schlechtes – über Max.
Und raschen Schritts
kam die Justiz.

Denn du darfst rauben oder stehlen,
Blindenhunde quälen,
du wirst sehn: die Polizei bleibt ziemlich lax.
Auch beim Erpressen oder beim Plündern
wird sie dich nicht hindern –
Aber sag nie etwas schlechtes über Max!
Wenn die Kassierer Geld unteschlagen,
wird kein Mensch etwas sagen,
und so mancher Richter schweigt bei einem Mord.
Es werden ehrsame Bürger
oft Messerstecher und Würger –
aber über unsern Max sagt man kein Wort.
Denn unser Max bleibt unser Max!
Er hat zwar öfter einen Knacks,
doch unser Max bleibt unser Max, und er ist gut.
Und die Parole jedes Tags
heißt unser Max bleibt unser Max,
was immer er tat und was immer er tut.
S‘ ist wahr: In letzter Zeit, da wachsen
die Stimmen gegen Maxen,
und so mancher fragt sich heimlich: Was ist los?
Jedoch das finden wir nicht geziemend,
denn das Gentlemens‘ Agreement
heißt immer noch: Max ist Max, und Max ist groß!

Nach dieser Pfeife muß ein jeder tanzen,
und wer es weiß, der findet nichts dabei,
sonst sitzt er im Verließ und tötet Wanzen.
Auch unser Freund kam jahrelang nicht frei.
Als er dann rauskam, war ihm mies zumute.
Zum alten Leben wollt‘ er nicht zurück.
Doch Gaunereien lagen ihm im Blute;
ein Schlechter hält das Schlechte für das Gute –
drum sattelte er um auf Politik.
Er war ja schon ein Fachmann im Bestechen,
und auch die Regel Eins war ihm vertraut:
Die Lüge ist vor allem ein Versprechen,
auf das man nach den Wahlen nicht mehr schaut.
So stieg er im politischen Register;
nach einem Jahr saß er im Parlament,
dann wurde er noch Unterrichtsminister,
und schließlich unser Vizepräsident.
Er wäre ja auch sicher Präsident sogar geworden
und Besitzer eines gutsitzenden Fracks –
doch eines Tages erhielt er den Sankt-Moritz-Ritterorden,
und da sagte er was schlechtes über Max.
Drauf war sein Sturz
brutal und kurz.

Denn du darfst schalten sowie walten,
die dümmsten Ansprachen halten,
und das Volk verbleibt in deiner Hand wie Wachs.
Du darfst auch Weltkriege riskieren,
darfst sie sogar verlieren –
aber sag nie etwas schlechtes über Max!
Du darfst die Frauenvereine verbieten,
das Rathaus ans Ausland vermieten,
und chauffieren mit der Geschwindigkeit des Lichts,
du darfst die Steuern erhöh’n und dann stehlen,
darfst die Polygamie hoch empfehlen –
den Max darfst du nur loben, weiter nichts!
Denn unser Max bleibt unser Max!
Zwar – wer was sagen will, na der sag’s,
jedoch: nur gutes, denn ansonsten sieh dich vor.
Auch wenn Max dumm ist oder schlecht:
Der Max bleibt Max, drum hat er recht,
und wer einen Witz macht, der hat keinen Humor!

Und darum Wanderer, kommst du nach Sparta,
und unterbrichst deine Fahrta,
dann sag lieber gegen Goethe und Hans Sachs.
Sprich schlecht von Heine, Klopstock und Schiller,
Tennessee Williams und Miller,
erkläre den Hamlet zum Schundroman
und Romeo und Julia zum Thriller,
doch lüge, lüge, lüge über –
Frisch von der Leber weg
lüg über Max!