Alben & Lieder
enthalten auf
Heute abend: Lola Blau
1971, Text/Musik: Georg Kreisler
Telefonat mit „Onkel Paul“
Lola Blau?
….
Onkel Paul, du bist’s!
…
Von wo?
…
Von der tschechischen Grenze? Ja was machst du denn an der tschechischen Grenze?
…
Nach Prag? Wieso?
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Moment mal, Onkel Paul, mit den Kindern?
…
Wegen welchen politischen Ereignissen?
…
Ach so! Weißt du, Onkel Paul, ich kümmere mich nicht um Politik. Du, ich fahr’ übrigens auch weg – nach Linz.
…
Och, was heißt hier ‚nur nach Linz’? Ich trete übermorgen mein erstes Engagement an: Lola Blau am Landestheater Linz!
…
Wann kommt ihr denn wieder zurück?
…
Was heißt, daran ist überhaupt nicht zu denken’? Onkel Paul, du übertreibst!
…
Ja!
…
Ja gut!
…
Mach dir keine Sorgen um mich! Mir passiert schon nichts.
…
Also dann – gute Reise!
(Legt Hörer auf die Gabel und geht schnell durch den Raum)
Der war so schrecklich nervös. Dabei sollte ich doch eigentlich nervös sein… Im Theater ist was los!
Monolog zwischen „Wo sind die Zeiten dahin“ und „Zu leise für mich“
Pförtner
Entschuldigen Sie, gnädige Frau, ich habe einen Telefonanruf für Sie angenommen, weil Sie g’rad auf der Bühne waren.
Der Herr hat g’sagt, es ist dringend. Ein Herr Glücksmann. Er hat g’sagt, er kommt gleich. Er verspätet sich nur ein paar Minuten. Es is’ nix passiert. Aber wissen S’, gnädige Frau, er war schon sehr aufgeregt. Aber er hat g’sagt, die gnädige Frau soll sich nur nicht aufregen, es is’ eh’ nix passiert. Nein, gnädige Frau! Er hat mir erzählt, er war auf dem Weg hierher, da hat ihn einer auf der Straße angerempelt. Wie’s halt is’. Sie wissen ja eh’, gnädige Frau. Der hat ihn dann einen Saujuden g’schimpft, wie’s halt is’.
Da hat sich der Herr Glücksmann nicht zurückhalten können und hat ihm eine g’schmiert. Dann is’ die Polizei g’kommen und hat alle mitg’nommen, wie’s halt is’. Aber die gnädige Frau soll sich auf gar keinen Fall aufregen, hat der Herr Glücksmann g’sagt. Die Polizei hat nur die Personalien aufgenommen, und der Herr Glücksmann is schon auf dem weg hierher. Die gnädige Frau möchten doch auf ihn warten, hat er g’sagt. Also: Nicht aufregen, gnädige Frau! Gute Nacht, gnädige Frau!
Monolog zwischen „Ich liebe Dich“ und „Frau Schmidt“
Herr Schmidt
Gestatten – Schmidt ist mein Name. Ich hatte die Gelegenheit, gnädige Frau persönlich vor einigen Monaten im Waldorf Astoria in New York bewundern zu dürfen. Es war ein außerordentlicher Genuß! Ich freu’ mich, dass Sie nun auch in die Heimat kommen. Die Heimat braucht Sie, gnädige Frau, beim Wiederaufbau. Ich bin ja nur ein kleiner Mann, aber ich kann Ihnen sagen: Die Heimat braucht Sie! Ihre persönliche Heimat ist ja Wien, wenn ich richtig informiert bin. Ja, Wien ist noch von allen deutschen Städten am wenigsten in Feindberührung gekommen. Wenn ich da an Berlin denke oder Frankfurt! Sie täten ein gutes Werk, gnädige Frau, wenn Sie auch den Leuten in diesen Städten ein wenig Mut zusprächen. Ich bin ja nur ein kleiner Mann, aber gerade deshalb weiß ich, wie’s dem kleinen Mann ums Herz ist, wenn ein großer wie Sie, gnädige Frau, wiederkehrt und ein paar persönliche Worte findet. Sie sind ja damals nach Amerika. Tja, das musste ja wohl sein! Aber nun ist ja Gras d’rüber gewachsen, alles ist vorbei, vergeben und vergessen, und nun müssen wir alle eben wieder zusammen anpacken und den Karren aus dem Dreck ziehen.
Ich hatte es ja nicht so gut wie Sie, gnädige Frau. Ich war bis Kriegsende zu Haus Leutnant bei der Flak. Glücklicherweise konnte ich durch einen entfernten Bekannten Geschäftsverbindungen mit einer amerikanischen Firma anknüpfen. So kam ich gleich nach Kriegsende in die Vereinigten Staaten. Jetzt reise ich hin und her und hin und zurück, hin und zurück, aber am schönsten ist es doch zu Hause. Sie werden das merken, gnädige Frau, wenn Sie wieder zu Hause sind! Wissen Sie, diese Amerikaner, so nett, wie manche auch sein mögen – ein kulturelles Volk wie wir, das sind sie nicht, das schaffen sie nicht. Sogar ich, der kleine Herr Schmidt, stecke den größten Amerikaner in die Tasche, wenn’s zur Kultur kommt. Ja geschäftlich stehen die ihren Mann, aber kulturell, nee! Sie werden es auch sehen, gnädige Frau. Ihr Wiener Publikum wird Ihnen zu Füßen liegen. Das ist ganz anders als in New York. – Tja, da will ich Sie nun nicht länger stören. Vielleicht habe ich mal das Vergnügen, auch in Deutschland im Publikum zu sein, wenn Sie auf der Bühne stehen.
Empfehle mich, gnädige Frau! Es ist mir eine Ehre, auf dem gleichen Schiff zu reisen wie Sie.
Monolog zwischen „Der zweitälteste Frauenberuf“ und „I hab a Mädele“
Herr Berger
Entschuldigen Sie, Berger ist mein Name.
Ich steig’ zufällig auch bei der Endstation aus, in Amerika. – Sie sind doch, wenn ich nicht irre, die Dame, die jeden Abend oben in der Ersten Klasse ihre Lieder trällert! Nu’ ja, leider kriegen wir hier unten von Ihren Liedern nichts zu hören. Wir sehen nur Ihren Auftritt und Ihren Abgang. Was dazwischen liegt, bleibt uns verborgen. -
Das ist wie bei Staatsmännern, wenn sie zu Konferenzen gehen. Man sieht sie hineingehen, sieht sie heraus kommen, aber was dazwischen liegt – und das ist unser Schicksal – was sich da entscheidet: Dieses Schicksal entscheidet sich in der Dunkelheit. Deswegen sollte sich auch kein Staatsmann wie der liebe Gott vorkommen, wie das die Staatsmänner so gerne tun, denn Gott, der Herr, der macht es genau umgekehrt: Seine Entscheidungen trifft er ganz offen, aber niemand sieht ihn kommen oder gehen. Nu’ ja, entschuldigen Sie, bitte, die Störung! –
Wenn ich nur noch etwas sagen darf, Fräulein: Sie sind eine sehr große Verwandlungskünstlerin, das hab’ ich schon gesehen. Denn einerseits sind Sie doch – nebbich – eine kleine jüdische Emigrantin wie wir alle, ein Flüchtling, eine Ungewollte. Aber andererseits – in Ihrem Abendkleid, wenn Sie so dahinrauschen – sind Sie eine große Dame aus der Ersten Gesellschaft. Nun – entschuldigen Sie vielmals: ich glaube, Sie spielen Ihre Rolle im falschen Bühnenbild! Denn schauen Sie: Für uns hier im Zwischendeck sind Sie die große, unnahbare Dame aus der feinen Gesellschaft. Aber für die oben in der Ersten Klasse sind und bleiben Sie die arme, kleine Jüdin, die nichts hat und die froh sein muß, wenn man ihr ein bisserl zuhört, während sie singt. Umgekehrt sollten Sie spielen! Umgekehrt! Für die oben werden Sie nie eine von denen sein! Aber für uns könnten Sie doch einmal eine von uns sein. Treten Sie doch auch einmal für uns auf! Sagen Sie nicht: Wir haben andere Sorgen! G’rad weil wir andere Sorgen haben!
Überlegen Sie sich’s, Fräulein! Gute Nacht! Entschuldigen Sie vielmals!