Alben & Lieder
enthalten auf
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				  Kreislerianer 2Catherine Rückwardt & Malte Schaefer 2005 
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								  Geben Sie achtSabine Wackernagel 1999 
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								  Die heiße Viertelstunde 17Die heiße Viertelstunde 1968 
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				  Anders als die andernGeorg Kreisler mit Topsy Küppers 1969 
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				  Der Tod, das muss ein Wiener seinGeorg Kreisler mit Topsy Küppers 1969 
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				  Lieder gegen fast allesGeorg Kreisler mit Barbara Peters 2002 
Ein Haus am grünen Bach
1968, Text/Musik: Georg Kreisler
Und dann hast du was erreicht, dann ist das Leben leicht –
	oder ist es das?
	Und dann hast du was gebaut, und alle haben geschaut –
	oder war da was?
	Bin ich wirklich blaß?
	Die Ner-, die Ner-, die Nervosität
	ist der dunkelste Punkt, den man hat.
	So sehr, so sehr, so sehr man sich bläht -
	nur zu bald schwankt der Thron,
	und die Luft im Ballon
	pfeift hinaus, und man fällt wie ein Blatt.
	Das Blatt, das Blatt, das Blatt, das da fällt,
	das bin ich, Fall und Knall, klipp und klar.
	Die Glat-, die Glat-, die Glatze der Welt,
	die bin ich noch viel mehr,
	denn man lässt mir nachher,
	wenn ich tot bin, nicht ein gutes Haar.
	Klein, aber mein, aber voll, aber ganz, aber
	schnell, aber gleich, aber schlau –
	das geht so leicht, doch nur beinah.
	Kraft, aber Glück, aber Kampf, aber Ziel, aber
	Mut, aber hin, aber her –
	die Zeit ist um, und ich steh immer noch da.
	Und Ner-, und Ner-, und Nervosität
	fällt mir groß in den Schoß wie ein Kloß,
	und ich werd sie bestimmt nie mehr los.
	Dabei heul ich doch so gerne mit den Wölfen
	und lass dem Zufall möglichst wenig Raum,
	will immer meinen Zeitgenossen helfen.
	Mir selber helf ich kaum;
	ich hab nur einen Traum:
	Ein Haus am grünen Bach
	mit Schwalben unterm Dach,
	Abendröte und Morgenruh
	und das Bargeld dazu.
	Ein Falter baut sein Nest
	im Mangobaumgeäst.
	Und im eigenen Rosenhain
	schläft man dann schöpferisch ein.
	Menschen hat man sich abgewöhnt,
	Kuh und Ochs preisgekrönt,
	und der Ruf der Schalmei ertönt
	fehlerfrei übers Land...
	Horch! Da zittert ein Espenlaub
	tief im wuchernden Wald.
	Dort, wo’s Licht durch die Zweige tropft,
	hat die Lerche ein Ei getropft.
	Der Tatendrang wird schwach
	im Haus am grünen Bach.
	Zwischen Tulpen und Hühnermais
	weiß man nicht, was man weiß.
	Wenn der Storch überm Tannenried
	größere Kreise zieht,
	seufzt man leise ein Lied und bettet sich flach
	am grünen Bach.
	Die Welt ist weit.
	Die Sonne hat Gelegenheit.
	Der Mond ist türkis.
	Die Erde dreht sich wie am Spieß,
	und Ner-, und Ner-, und Nervosität
	klebt sich fest wie die Schnecke am Steg.
	Und fer-, und fer-, und fertig genäht
	ist mein Wort und mein Blick
	und der Strick um’s Genick
	und mein Herz und mein Schlaf und mein Weg.
	Durch Mut-, durch Mut-, durch Mutlosigkeit
	steh ich bleich an der Schlucht des Verzichts.
	Man tut, man tut, man tut sich so leid,
	ach: man will schon nichts mehr,
	(aber das will man sehr),
	nur ein Loch, nur ein Haar, nur ein Nichts.
	Hals über Kopf über Berg über Tal
	über Fluß über Stock über Stein:
	So frisst man sich durch dicken Brei.
	Wer unterdes unterwegs unterbricht,
	der erschrickt, weil er plötzlich erkennt:
	Die Zeit ist um! Sie war schon immer vorbei.
	Und Ner-, und Ner-, und Nervosität
	legt sich schwer in die Quer wie ein Bär,
	und versperrt das Wohin und Woher.
	Dabei strebte ich doch nie zu weit nach oben,
	und die Kirchenmaus war jahrelang bei mir.
	Ich will mich nicht zum Abschied selber loben –
	ich bin kein großes Tier; ich will nur so wie ihr:
	Ein Haus am grünen Bach
	mit Schwalben unterm Dach.
	Himmelblau unter Denkmalschutz,
	Wiese unter Verputz.
	Am Waldesrand gedeiht
	der Löwenzahn der Zeit.
	Barfuß bis an die Heldenstirn
	schont man Hose und Hirn.
	Leise schläft man sein Leben leer.
	Nachgedacht wird nicht mehr.
	Blütenstaub macht die Augen schwer.
	Neues kann nicht geschehn.
	Horch! da wächst ein Vergissmeinnicht.
	Deutlich ruft es: Hurra!
	Und ein kleines Karnickelkind
	schnarcht so laut wie ein Wickelkind.
	Mit Mühe bleibt man wach
	im Haus am grünen Bach.
	Zwischen Tulpen und Rosmarin
	döst man so vor sich hin.
	Bis der Storch überm Tannenried
	größere Kreise zieht,
	dann erst seufzt man ein Lied
	und bettet sich flach
	am grünen Bach,
	am grünen Bach.
	Die Welt ist leer.
	Der Kummer fliegt im All umher.
	Die Berge blühn,
	und der Bach, der ist grün.