Alben & Lieder

Die Angst

1963, Text/Musik: Georg Kreisler

An meiner Ecke steht des Nachts ein Polizist,
der ganz bestimmt ein Meter fünfundneunzig misst,
er steht so aufrichtig und g'rad da wie ein Sultan,
die ganze Würde des Gesetztes auf den Schultern.

Ich sprach ihn deshalb eines Nachts um zwei mal an
und fragte, ob man sich auf ihn verlassen kann.
Drauf sprach er: Ja, ein Polizist ist wie ein Hund,
er bleibt dir treu und zwar aus einem guten Grund.

Die Polizei in ihrer ganzen Blüte,
von der du Schutz und Opfermut verlangst,
schützt dich nicht aus Sympathie oder Güte,
nur aus Angst, nur aus Angst.
Der Polizist, dem du des Nachts begegnest,
und der dich dich heimführt falls du etwas schwankst,
tut das nicht weil du ihn lobst oder segnest,
nur aus Angst, nur aus Angst.

Er hat Angst vor dem Chef,
er hat Angst vor der Nacht,
er hat Angst jemand könnte ihn sehn.

Er hat Angst vor sich selbst,
seiner Frau, seiner Macht,
er hat Angst vor den eig'nen Ideen.
Und hat Angst, es könnt ohne ihn gehn.

Die Polizei sitzt heute in der Falle,
sie hilft dir nur weil du sie dazu zwangst,
aber sonst ist sie genauso wie alle,
sie hat Angst, nichts wie Angst.
Und wenn du dich gar für irgendetwas höflich bedankst,
merkst du's gleich:
sie hat Angst, sie hat Angst.

Und je älter du wirst,
umso mehr schwitzt du Blut
und du schlotterst und zitterst und bangst.
Und die Angst tut dir weh
und zur selben Zeit gut
weil du ihr deinen Posten verdankst.
Und am Schluss kriegst du Angst vor der Angst.


Wenn du dann kämpfst, geschieht's aus lauter Sorgen,
und wenn du siegst und kriegst was du verlangst,
denkst du schon: O Gott, mit wem kämpf ich morgen
und hast Angst, nichts wie Angst.

Jeder Held den du verehrtest und in Liedern besangst,
ist ein Held - so wie ich - nur aus Angst.