Alben & Lieder

Der Leisten

1964, Text/Musik: Georg Kreisler

Von allen Wörtern hört man heut am meisten
das Wort: Ein Schuster bleibt bei seinem Leisten.
Doch sagt das jemand mir, sag ich: Was schreist’n?
Ich kann mir meinen Leisten nicht mehr leisten.
Und außerdem – und das kommt noch dazu –
lässt folgende Idee mich nicht in Ruh:

Was mach ich, wenn ich keinen Leisten hab, bei dem ich bleiben kann,
und hinter meinem Ohr zuwenig Platz, wohin ich schreiben kann?
Und wenn ich nicht zwei Übeln hab, dass ich das klein’re wählen kann,
und niemals eine Reise tat und deshalb nix erzählen kann?
Was mach ich, wenn ich tanzen will und keinerlei Vulkan besitz,
und weder einen Pudelskern noch eine schiefe Bahn besitz?
Ich hab auch kein Kolumbus-Ei, ob das mich nicht zu Schaden führt?,
und kenne einen Weg, der statt nach Rom nach Baden-Baden führt.
Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei,
was werd’n die Leute sag’n, was werd’n die Leute sag’n?
Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei,
die Leute tuscheln schon, das kommt davon.

Ich suche Eulen überall, die ich Athen verehren darf,
und wohne im Hotel, wo ich vor meiner Tür nicht kehren darf.
Ich trank im Gasthaus fünf Glas Bier mit Schäumen, die nicht Träume war’n,
und habe einen Wald gesehn, obwohl dort lauter Bäume war’n.
Mit Weile eilen kann ich nicht, vom Brot hab ich allein gelebt,
und hab mich in Neapel statt zu sterben bestens eingelebt.
Hoch klingt das Lied vom Radio, nur leider singt’s a Schlimmermann.
Auch hab ich eine Axt im Haus, und wer kommt doch? Der Zimmermann.
Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei,
was werd’n die Leute sag’n, was werd’n die Leute sag’n?
Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei,
die Leute tuscheln schon, das kommt davon.

Jetzt endlich hab ich Schluß gemacht, ich schau die andern Leute an,
und tu, was ich nicht lassen kann: Ich passe mich dem Heute an.
Mein Partner wird a Wilder, der sich seitwärts in die Büsche schmeißt.
Ich übe Treu und Redlichkeit und hab an Koch, der Hunger heißt.
Was schert mich Weib, was schert mich Kind, sie werd’n doch zu Hyänen nur,
ich füll mein Danaiden-Fass und ess mein Brot mit Tränen nur
und grabe andern Gruben, in die ich mich dann alleine werf
und sitz in einem Glashaus, nur damit ich keine Steine werf.
Doch jetzt bin ich verzweifelt, eieiei,
die Leute loben mich, die Leute lieben mich,
und ich bin so verzweifelt, eieiei,
ich bin genau wie sie, das wollt ich nie! Das wollt ich nie! Das wollt ich nie!