Alben & Lieder

Der Herbst

1961, Text/Musik: Georg Kreisler

Wenn der Frühling einzieht im März,
wenn sich Hummeln tummeln, und Hecken recken ihr Herz,
wenn die Reime keimen und gehen,
und die Luft verliert an Gewicht,
ja, dann möchte man’s gerne verstehen,
und versteht es nicht.

Wenn der Sommer dann dominiert,
das Getue prüft und es da und dort korrigiert,
wenn Arterien Ferien begehen,
und die Zithern wittern ein Lied,
ja, dann möcht man, es soll was geschehen,
aber nichts geschieht.

Dann im Herbst versteht man es schon besser,
und die Unken funken leise durch die Bö.
Doch der Winter sitzt noch hinter seinem Messer.
Und die Schenken schwenken Schilder in die Höh’.

Ja, die beste Zeit ist der Herbst.
denn er bringt beflissen das Wissen, daß du jetzt erbst.
In Kolonnen sonnen sich Bärte.
Jedes Kleine hat seine Idee.
Alle Spechte haben echte Konzerte.
Und die Wellen bestellen die See.
Und man fühlt sich durch das alles derart gestärkt,
daß man den Winter, wenn er eintritt, gar nicht merkt.

Als der Frühling kam für uns zwei,
als mit leisen Schritten wir näherglitten im Mai,
als die andern später uns fanden,
(jemand schrieb sogar ein Gedicht),
ja, da hätten wir’s gerne verstanden;
wir verstanden’s nicht.

Als der Sommer über uns lag,
wir umschlangen uns und besangen unseren Tag,
die Karossen flossen spazieren,
die es brauchten, hauchten ein Ja,
und wir dachten: Jetzt wird was passieren,
aber nichts geschah.

Jetzt im Herbst verstehen wir es besser,
aber jetzt sind wir schon leider, wo wir sind:
Zwischen uns ist ein gewaltiges Gewässer,
und Psychologen halten Wogen in den Wind.

Ja, die schlimmste Zeit ist der Herbst,
denn er bringt beflissen das Wissen, daß du jetzt erbst.
Und es gibt nichts lautes zu lesen,
und die Luft gewinnt an Gewicht.
Und man denkt: So wär es gewesen,
und man denkt: So war es doch nicht!
Und man fühlt sich plötzlich müd und abgespannt,
und gibt dem Winter, wenn er eintritt, dankbar die Hand.