Alben & Lieder

Der Bluntschli

1957, Text/Musik: Georg Kreisler

Drüben beim Herrn Wachtel
steht a große Schachtel,
und ich bin so neugierig:
Was könnt da drinnen sein?
Eines Tages geht er,
zurück kommt er erst später –
da sag ich: Na, jetzt ist’s Zeit
und schleich mich zu ihm rein.
Wie ich die Schachtel pack‘,
trifft mich fast der Schlag:

In der Schachtel liegt a Bluntschli
und a Birne und a Knopf.
Zu was der Mann an Bluntschli braucht,
das geht mir nicht in’n Kopf.
Eine Birne kann man essen.
Einen Knopf, den kann man näh’n.
Von a Bluntschli hat man gar nix,
drum kann ich’s nicht verstehn.

Und wie ich näher hinschau,
was glaub’n ’S, was ich entdeck?
A blauer Bleistiftspitzer
liegt hinterm Knopf im Eck!
Der Knopf liegt neb’n dem Bluntschli,
der Bluntschli neb’n der Birn‘ –
das kann ich nicht begreifen.
Das geht mir nicht in’s Hirn.

Bei sowas wird mir schwindlich,
da bin ich empfindlich,
das ist mir unergründlich,
das wird noch a Skandal!
A Bluntschli ist gefährlich,
beschwerlich, entbehrlich,
drum ist’s mir unerklärlich:
Der Wachtel ist nicht normal!

A Bluntschli und a Spitzer
und a Knopf und eine Birn’ –
zu was braucht der den Bluntschli;
das werd ich nie kapiern.

Ich sitz grad im Gasthaus
bei a Glas Wein und rast aus,
plötzlich schau ich auf und seh
den Wachtel vor der Tür.
G’schwind ruf ich: Herr Wachtel,
trinken’S auch a Achtel.
Ich werd’s zahl’n und Sie erklärn
den Bluntschli mir dafür!
Der Wachtel sagt: Sehr gern,
ich werd‘ Ihnen erklärn:

In der Schachtel liegt a Bluntschli,
das wissen Sie genau;
a Knopf, a Birn‘, a Spitzer,
der letztere ist blau.
Sehn’S: Diesen Spitzer nehm ich,
und ich steck ihn mir ins Ohr.
Dann nehm ich noch den Knopf zur Hand
und halt ihn hoch empor.

Und jetzt: Mit meiner Linken
ergreife ich die Birn‘.
Mit Stengel schön nach unten
halt ich sie an die Stirn.
Na, jetzt sind meine Händ‘ voll,
jetzt werden Sie verstehn:
Wenn ich jetzt noch die Augen schließ,
kann ich den Bluntschli gar nicht sehn.

Na, das ist doch verständlich,
ob weiblich, ob männlich.
Der Bluntschli hat nun endlich
ein‘ tiefsinnigen Zweck!
Der Spitzer gibt Ruh,
und der Knopf sagt nicht Muh,
und die Augen, die sind zu,
und der Bluntschli ist weg.

Desweg’n brauch ich den Spitzer,
die Birne und den Knopf,
und werf sie mit dem Bluntschli
zusamm‘ in einen Topf.

Drauf sag ich: Herr Wachtel,
trinken’S noch a Achtel.
Trinken Sie es langsam,
doch erklären Sie mir schnell:
Ich begreif die Birne
(selbst an Ihrer Stirne),
auch der Spitzer und der Knopf
sind ganz konventionell.
Der Bluntschli ist der Witz!
Was glaub’n ‘S, weshalb ich schwitz:

Schaun Sie:
In der Schachtel liegt a Bluntschli
und a Birne und a Knopf
und a blauer Bleistiftspitzer,
soviel geht mir in‘ Kopf.
Ich frag Sie weg’n dem Bluntschli;
dieser Bluntschli ist a Qual...
Die ganzen andern Sachen
sind nützlich und egal.

Darauf sagt der Herr Wachtel:
Na, was sag’n Sie das nicht gleich?
Der Bluntschli ist das wichtigste!
Der Bluntschli macht mich reich!
Ja, ohne diesen Bluntschli
wär ich ein andrer Mann;
denn wenn ich nicht den Bluntschli hätt –
wer schauet mich schon an?...

Da wär ich der Herr Wachtel,
na, der hatt eine Schachtel
und trinkt a mal a Achtel.
Ansonsten ist er fad.
Mit Bluntschli in der Schachtel
bin ich der Herr Wachtel!
Und trinke ich ein Achtel,
so ist es eine Gnad!

Ja: früher war das anders.
Ka Mensch hat mich gekannt;
aber jetzt hab ich an Bluntschli,
drum bin ich interessant.

Der eine sagt’s dem andern.
Es red’t sich umadum:
Der Wachtel hat an Bluntschli.
Der Wachtel hat an Bluntschli.
Sie, der Wachtel hat an Bluntschli;
und Sie frag’n mich, warum...