Alben & Lieder

Das Triangel

1955, Text/Musik: Georg Kreisler

Wenn Sie einmal in die Oper gehen,
und sich das Orchester dort besehen,
vielleicht sehen Sie im fernsten Eck, so zwischen Tür und Angel,
einen Mann, der spielt ein Instrument, genannt Triangel.
Wenn Sie diesen Mann betrachten, denken Sie an mich,
denn der Triangelspieler, der bin ich.

Ja, da sitzt ich mitten im Orchester drin
und halte bereit mein Triangel.
Und endlich zeigt der Dirigent auf mich hin,
und schon steh ich auf und mach: []

Ich komm erst auf Seite neunundachtzig dran.
Ja, an Zeit hab ich keinen Mangel.
Ich könnt ja was lesen, doch da schaut er mich an,
und schon steh ich auf und mach: []

Die Opern kenn ich von hinten nach vorn.
Auch den Wozzeck. Auch den Rienzi.
Die Partituren kenn ich von Bratsche bis Horn,
und die ganzen schweren Kadenzi...

Meistens werd ich schläfrig von all dem Getös,
besonders bei Richard Strauss.
Doch schlafen geht nicht: Der Dirigent wär ja bös,
er braucht mich ja wegen dem [],
ach, wär doch die Oper schon aus.

Es ist schwer zu glauben, doch einst war ich jung
und studierte an der Akademie.
Ich spielte Klavier mit Elan und Schwung,
meine Technik erregte Begeisterung,
und man nannte mich ein Genie.
Ich spielte Karneval und die Sylphiden,
die Rhapsodien und die Pathetique.
Ich lernte Czernys und Chopins Etüden,
und ich war jung und liebte die Musik.
Und eines Tags sah ich mit viel Vergnügen
neben den gesamten Werken Glucks
im Musikgeschäft auch ein Triangel liegen.
Da lachte ich und kaufte es – als Jux...

Und da sitz ich mitten im Orchester drin,
im Schatten der großen Trommeln.
Gleich kommt mein Einsatz, ich schau gar nicht hin,
ich steh nur auf und mach: [].

Die Tschinellen machen einen Riesenkrach,
ich wär lieber bei den Schrammeln.
Doch jetzt wird es leiser, und ich mach
noch einmal: [].


Die Violinen weinen jetzt,
die Cellos und Bässe ergrimmen.
Die Flöten jubeln, das Glockenspiel lacht -
Ein Triangel kann man nicht einmal stimmen...

Man wird so nervös und der Sessel ist hart,
und nie bekomm ich Applaus.
So sitz ich halt da und wart und wart
Bis ich aufstehen darf und mach - [].

Und dann ist die Oper aus.