Alben & Lieder

Bundeskanzler Irgendwer

1981, Text/Musik: Georg Kreisler

Ein Mensch glaubt vielleicht an Religion,
ein Mensch glaubt vielleicht ans Telefon,
doch jeder hält an seinem Glauben fest,
aus Güte oder Trotz oder Protest.

Er schwebt an seinem Glauben hoch,
befreit ihn vom Ballast,
dann hackt er ein paar Ecken ab,
solange bis er passt.

Dann schluckt er ihn ob Brutto oder Netto,
und sitz in einem wunderschönen Ghetto.

Und dort fühlt er sich wohl,
und blickt erstaunt umher.
Und sagt sich :“Oh mein Gott.
ich versteh’  die Welt nicht mehr!“

Bundeskanzler Schmidt,  
oder Bundeskanzler Brandt,
oder Bundeskanzler irgendwer
liegen unter einem Kirschenbaum,
und lachen sich krumm.
Und warum, ja warum?

Weil der Bundeskanzler Schmidt,
oder Bundeskanzler Brandt,
oder Bundeskanzler irgendwer,
die hat man ganz dezent
vom Leben abgetrennt.
Sie regieren querfeldein,
stell’n einander mal ein Bein,
aber ganz für sich allein.

Es kommt kein Schrei aus ihrem Mund
und keine Träne aus den Augen.
Es kommt kein Traum in ihren Schlaf,
und keine Angst in ihren Blick.
Nur Politik.

Bundeskanzler Schmidt,
oder Bundeskanzler Brandt,
oder Bundeskanzler irgendwer
bleiben fern in ihrer Nacht,
und bewachen ihre Macht,
denn sie hab’ns zu was gebracht.

Die Welt hat Probleme weit und breit,
man braucht sie gar nicht aufzuzählen, jeder weiss bescheid,
jedoch, dass wir einander immer wieder peinigen,
das kann doch nicht so schwer sein zu bereinigen.
Ein Mann, der täglich Panzerkanonen giesst,
muss ahnen, was die Mutter fühlt,
auf deren Sohn er schiesst.
Ein Mann, der vom Atomkraftwerk nach Haus kommt,
muss wissen, was im Ernstfall dort herauskommt.

Und wenn man sagt: “Ein Durchschnittsmensch,
der ist halt nicht so schlau!“
Ein Präsident, ein Kanzler
die wissen doch genau!

Aber Bundeskanzler Schmidt,
oder Bundeskanzler Brandt,
oder Bundeskanzler irgendwer
sind mit anderem beschäftigt und
halten den Mund.
Und der Grund, ja der Grund?

Weil der Bundeskanzler Strauss,
oder Bundeskanzler Kohl,
oder Bundeskanzler so und so
der denkt doch nur daran,
wie er die Wahl gewann.

Und was sagen die Parteien?
Darf er weiter Kanzler sein?
Alles and’re spielt sich ein.

Er brüllt nicht auf,
und er verflucht nicht seinen Gott  
und seine Ohnmacht.
Es ist kein Hass in seinem Wort
und keine Scham in seinem Ton.
Nur leiser Hohn.

Bundeskanzler Hintz
oder Bundeskanzler Kunz
oder Bundeskanzler austauschbar
spielen weiter ihre Rollen,
schöpfen weiter aus dem Vollen
bis wir’s selber nicht mehr wollen.