Alben & Lieder

Anders als die andern

1968, Text/Musik: Georg Kreisler

Was hast Du eigentlich Dir vorgestellt?
Hast Du Dein Leben bis zum Schluß gedacht?
Wie hast Du Dir den letzten Kuß gedacht?
Und was ist das Ergebnis? Und wer bezahlt's Begräbnis?

Der Mensch ist wie der Ochs vors Tor gestellt.
Man braucht nur täglich in den Spiegel sehn
und kann am Tor den schweren Riegel sehn.
Die Fragen fragt der Lehrer, die Antworten sind schwerer.
Erst wir ha'ms Leben völlig umgestellt.
(Das war sehr leicht, wir ha'm uns nämlich dumm gestellt.)
Die Fragen ignoriern wir, die Antworten souffliern wir
und wer was andres will, den exportiern wir!

Wenn man immer was andres will als die andern.
Als Chamäleon lebt, bei den Salamandern,
Ist man nirgends zu Haus, und der Atem geht aus,
Weil ein hinderlicher Held dieser dummen Welt
Erst nach seinem Tode gefällt.

Wenn man immer was andres spricht als die Blöden,
Ja, wie solln denn die Blöden mit Dir reden?
Und die Majorität ist auf jeden Fall blöd,
Weil ein Blöder nichts riskiert, weil er nichts verliert,
Und er wird von allen kopiert.

Unser Dasein ist einfach ein Stammtisch:
Wer Ideen hat, der kommt nicht dran.
Doch wer einmal dort war, der darf zweimal im Jahr
Obendrein patriotisch sein!

Nur wer immer was andres will als Patrioten,
Dem wird jeglicher Ernst des Lebens verboten.
Der wird seitwärts gedreht, kriegt kein Weihnachtspaket,
Nur ein Ehrendoktorat einer kleinen Universität.

Darf ich etwas fragen? - Nein, wer fragt, benützt sein Hirn.
Darf ich etwas sagen? - Höchstens "Himmel, Arsch und Zwirn"!
Darf ich etwas denken? - Ja, Gedanken sind ja frei,
Also denk' nur - aber halt den Mund dabei.

Darf ich was erneuern? - Nur die Dinge die's schon gab.
Darf ich was erhoffen? - Von der Wiege bis zum Grab.
Darf ich mir was wünschen? - Es ist besser, Du kaufst ein:
Wer sich wünscht, was nicht zu kaufen ist, muß niederträchtig sein.
Das ist nicht mein Gesetz, doch ich denke, ich hätt's
Ganz genauso erlassen wie die.
Es ist nicht mein Gesetz, aber glaub mir, ich schätz
Unsere herrliche Demokratie,

Nur wer immer was andres will als die Andern,
Muß natürlich sein Bündel schnüren und wandern.
Doch wir sind nicht so roh, wir helfen ihm packen und so,
Und wir tragen sein Gepäck, winken bis zum Eck,
Lassen seine Frau mit ihm weg.

Aber was sind die positiven Programme?
Daß wir allesamt Brüder sind, möglichst stramme.
Immer mehr unter uns, immer mehr Hinz und Kunz,
Das ist leichter für den Staat, für den Magistrat, und den Polizeiapparat.

Aber irgendwer muß doch regieren?
Ja, das tut er – irgendwer.
Der bleibt hinter der Tür, doch dafür dürfen wir
Ganz allein patriotisch sein.

Und wer immer was andres will als die Sippe,
Den behandeln wir erst einmal wie die Grippe.
Und dann wird er segiert, bis auch er akzeptiert,
Was der Staat zirkuliert und uns allen billig offeriert.

Nimm zum Beispiel das Sexuelle.
Ja gewiß, das nehm ich gern.
Bis zur letzten Bagatelle
Sind die Fraun hier hochmodern.

Die Busen sind die Größten, die Beine die Längsten,
So gleichen unsere Frauen arabischen Hengsten.
Die zartesten Hände, die winzigsten Näschen,
Die trinkfestesten Nierchen, die sanftesten Ekstäschen,

Die Hirne der Spatzen, die Leiber der Schlangen,
Die Stimmen in ewiger Moll,
Und liegt erst ein Mann in den Klauen, den langen,
Vergißt er genau, was er soll.
Ja, unsre Fraun sind anschmiegsam, elastisch und bequem,
Daher ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System.

Und nimm mal unsere Kühlschränke!
Ich war noch bei den Fraun.
Ja, wenn ich an die Kühlschränke denke,
Oh, wie ich dann staun.

Die schnellsten Defroster, das kühlste Gefrierfach,
Die leisesten Motoren, das riesigste Bierfach,
Die eckigsten Würfel, die niedrigsten Raten,
Die nacktesten Mädchen auf alles Plakaten,

Die buntesten Knöpfe und alle zum Drücken,
Er schaltet sich selbst ein und aus,
Dabei spielt er 'Fair Lady' und tötet die Mücken
Und weckt das ganze Haus.
Er ist voll garantiert und geölt und geschmiert,
Und wenn nicht, ist es kein Problem,
Sondern nur ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis für unser System,
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System.

Nun blick umher in diesem Land und sei einmal ein Mann!
Noch keiner hat ein Land genannt, das so viel bieten kann.
Die Luxusyacht im Garten, Chirurgen, die immer nur grinsen,
Die Autohupe in Quarten, Harmonspritzen mit Zinsen,
Das illustrierte Börsenblatt, die Sliwowitz-Diät,
Die Minimaxi-Antituti-Universität,
Maschinen, die im Jenseits auferstehn,
Und dabei sind sie noch die größten,
Chemiker, die im Swimmingpool zergehn,
Und wie sich der'n Witwen trösten,
Superbombe und Supermarkt,
Superfriedhof für Superinfarkt,
Pissoirs mit Glockenspiel
Und Rosenkränze mit Sex-Appeal,
Blumen, die man überall verbieten kann,
Mut, den man stundenweise mieten kann,
Todeskämpfe mit Schlussexamen,
Weihnachtsfrauen und Hampeldamen -

Ja, ich will von jetzt ab demokratisch sein,
Egoistisch und dadurch sympathisch sein,
Hörst Du jetzt endlich auf mich? - Ja!
Willst Du das meiste für Dich? - Ja!
Läßt Du die andern für zwanzig Pfennig im Stich? - Ja, ja!

Ich will niemals mehr anders sein als die Leute.
Ich verlang jetzt den größten Teil von der Beute,
Dies mein eigenes Beet, das aus Kaviar besteht,
Leg mir Schmuck auf meinen Bauch,
Pelze willst Du auch? - Aber immer mehr, als ich brauch!

Wir wolln leben, und leben heißt: Alles fressen.
Wir wolln leben, und leben heißt: Nichts vergessen.
Bis ich alles besitz, aber mehr als Frau Schmitz,
Ich will Leben wie ein Protz, Leben wie ein Klotz,
Leben meinem Leben zum Trotz

Aber irgendwann muß ich doch sterben
Nein, da gibt's doch Medizin.
Und wer unsere nimmt, den kuriert sie bestimmt,
Und wenn nein: Patriotisch sein!

Denn wir ha'm ja noch Fernsehn, Sex und Raketen,
Haben Yachten, Reklame und Krieg und Moneten,
Politik und Komfort, und ein Schloß vor'm Tresor,
Und die Negerkrawalle, ja und wolln schließlich alle.
Und wenn alle was wollen, warum soll man schmollen?
Wem die Welt nicht gefällt, der gehört nicht auf die Welt!