Alben & Lieder

Zum Geleit

1958, Text: Georg Kreisler

Erinnerungen eines früheren Direktors

Voriges Jahr war ich zusammen mit Gerhard Bronner Direktor dieses Theaters. Heuer bin ich es nicht mehr. Das sagt eigentlich schon alles. Trotzdem möchte ich sofort vorwegnehmen, daß ich mich immer meiner Direktorenzeit als einer der scheußlichsten Perioden meines Lebens erinnern werde. Und ich freue mich, daß es mir gestattet war, sie zu beenden. Nicht nur mußte ich nämlich alle paar Tage zum Bronner laufen und klagen: „Du, der Qualtinger hat mich angespuckt! „ und nicht nur weigerte sich Bronner hartnäckig als mein Kompagnon die Spucke abzuwischen oder sie zumindest als Beweismaterial zu besichtigen, sondern er antwortete auch, zumeist sehr gelassen: „Spuck zurück! „ Womit er natürlich klar zeigte, wie wenig ihm an meinem Leben gelegen war. Ja, wenn mich der kleine Wehle angespuckt hätte oder die Louise Martini, dann hätte ich mir schon zu helfen gewußt, aber beim Qualtinger, dessen Spucke allein mehr wog als der Wehle im ganzen, war ich ohne Bronner machtlos.
Einmal rannte ich dem Qualtinger ein Küchenmesser in den Bauch. Da war er beleidigt und sagte, wenn das noch einmal vorkommt, spielt er nicht mehr mit. Und der Bronner gab ihm recht und nahm mir das Messer weg.
Dann kam jener schwarze Tag, an welchem mich ein weitschichtiger Verwandter des Herrn von Karajan vom Parkett aus mit einem Sodawassersyphon anspritzte, obwohl er wissen mußte, daß ich ein Direktor war. Damals standen noch Tische im Zuschauerraum und das Publikum konnte Sekt oder Burenwurst konsumieren, um sich über das Programm hinwegzusetzen. Ich lief zum Bronner und sagte: „Du, stellen wir Sitzreihen ins Theater und geben wir die Konsumation auf! Schau, ein Gast hat mich angespritzt. „ Bronner erwiderte: „Eigentlich müßte dir das noch lieber sein, als wenn dich der Qualtinger anspuckt. „ Und jetzt hat er die Konsumation aufgegeben, weil er Angst hat, ich geh ins Parkett und spritz ihn an.
Das waren grausliche Zeiten. Damals hat noch der Kurt Jaggberg mitgespielt, der hat immer meinen Smoking angezündet mit der Begründung, daß Smoking rauchen heißt. Und der Carl Merz hatte eine Szene mit mir, wo er mir den Kopf streicheln mußte, und da hatte er immer einen Reißnagel in der Hand. Daß ich aber körperlich schwer lädiert wurde, wäre noch das wenigste gewesen. Daß mich Bronner jedoch geschäftlich hinten und vorn schamlos betrog, das gab mir den Rest. Eines Tages erzählte er mir, er habe eine wunderbare Schauspielerin engagiert, sie sei zwar sehr sehr teuer, aber das betreffe ihn ja genau so wie mich, er werde ja mitzahlen.
Später stellte sich heraus, daß die Schauspielerin seine Frau, Bruni Löbel, war. Den Teil ihrer Gage, den er ihr zahlte, gab sie ihm jeden Abend nach der Verstellung zurück, und für den Teil, den ich zahlte, kochte sie ihm daheim die herrlichsten Sachen. Auch den Bruce Low hat er engagiert und den Bruno Dallansky, nichts war ihm zu teuer für mein Geld. Nur die Elfi Mendelsohn habe ich engagiert - und die mußte ich allein bezahlen. Jetzt, da ich nicht mehr Mitdirektor bin, sind auf einmal alle Mißstände auf mysteriöse Weise beseitigt worden.
Der Qualtinger hat eine Klausel in seinem Kontrakt, die ihm das Spucken verbietet, dem Merz hat man alle Reißnägel weggenommen, beide arbeiten ohne Gage und sind froh, daß sie auftreten dürfen, die Louise Martini, für deren Bezahlung sich die Gewerkschaft und ein Kritiker der „Welt am Montag „ einsetzten, wurde kurzerhand für einen Teil des Abends an das Volkstheater verschachert - kurz, alles läuft wie am Schnürchen, weil ich und mein Geld nicht mehr zur Verfügung stehen. Daß das Programm elend ist, daran denkt kein Mensch. Natürlich werden Sie im „Glasl vor'm Aug“ auch ein paar gute Nummern finden. Die sind von mir. Ich schrieb sie, weil ich trotz allem niemand außer dem Bronner, dem Merz, dem Qualtinger, dem Sklenka, dem Hackenberg, der Martini und der Thon etwas Schlechtes wünsche. Aber kaum hatte ich die paar Nummern geschrieben, suchte ich das Weite. Ein Theaterdirektor ist ja schließlich auch ein Mensch, obwohl das Beispiel vom Bronner dagegen spricht. Sollte doch jemand einmal nach mir Sehnsucht haben, bin ich in Berlin, wo die Direktoren beliebter sind und die Tauben giftiger.