Alben & Lieder

Die Hochzeit

1983, Text: Georg Kreisler

Eine musikalische Szene

Vom Tonband hört man Orgelmusik und die Stimme des Priesters.

Stimme des Priesters
Ist es noch Ihr ernster Wille und fester Entschluß, den Bund der heiligen Ehe zu schließen, dem hier gegenwärtigen Bräutigam Georg Maier die eheliche Treue unverletzt zu halten, ihn zu ehren, zu lieben, ihm beizustehen, ihm in allem, was recht und ehrbar ist, untertänig und gehorsam zu sein, ihn auch in keinem Trübsal, in keinem Unglück zu verlassen, sondern bei ihm stets zu verbleiben und zu verharren, bis Sie der Tod scheidet, so sprechen Sie: Ja.

(Während dieser Rede geht das Licht langsam an. Man sieht Braut und Bräutigam kniend und verzückt ins Publikum starrend.)

Die Braut(singt)
Ja, da knie ich nun,
kann in meiner Ehe in die Zukunft sehen.
Wie bei meinen Eltern wird die Zeit vergehen —
launenhaft — Mutterschaft —
und wenn ich Witwe bin,
knie ich so wie heute vor dem Pfarrer hin,
blicke feuchten Auges in den Regentag,
denk mir viel, doch ich sag:

Er war ein guter Mann. Die Nachbarn haben's gesehn.
Vergangenen Sommer waren wir noch
in Kreta und Athen.
Sein Laster war das Pferderennen und die Lotterie.
Geliebt hab ich ihn selbstverständlich nie.

Die Ehe war perfekt. Die Kinder waren von ihm.
Das hoff ich, denn ich war mit seinem Bruder sehr intim.
Wir gingen auch zur Oper gern,
zuletzt zu Troubadour.
Von Liebe war natürlich keine Spur.

Wir sparten auf ein Haus und kamen nie ans Ziel.
Doch jetzt werd ich's bekommen,
die Versicherung trägt ja recht viel.
Die Kinder gingen fort von uns,
das muß man auch verstehen.
Wir haben uns beim Begräbnis heut
seit langer Zeit wiedergesehen.

Er war ein guter Mann. Und jetzt bin ich allein.
Ich nehme an, das ist mal so und sollte auch so sein.
Die Orgel spielte heute unsere Lieblingsmelodie.
Geliebt hab ich ihn selbstverständlich nie.

(Die Braut lächelt den Priester an und sagt selig: »Ja!«)

Bräutigam(singt)
Ja, da knie ich nun,
kann sogar ein bißchen in die Zukunft schauen,
hier mit meiner Grete — und auch anderen Frauen —
mach Karrier' — bin auch wer.
Sie kriegt Kinderlein,
ich werd eines Tages sicher Witwer sein.
Und wenn ich dann knie an ihrem Sarkophag,
denk ich viel, doch ich sag:

Sie war eine gute Frau. Man sagt es überall.
Daß sie sich totgetrunken hat, ist sicher nicht der Fall.
Und wenn, so war es etwas,
das auch ich ihr gern verzieh.
Geliebt hab ich sie selbstverständlich nie.

Im Haus war sie perfekt. Als Mutter obendrein.
Daß sie vor mir gestorben ist, wird Gottes Wille sein.
Ich war auch ganz bestürzt,
als ich von ihrem Tod erfuhr.
Von Liebe war natürlich keine Spur.

Wir sparten auf ein Haus und kamen nicht vom Fleck.
Jetzt koch ich für mich selber,
Deutsches Beefsteak und Eier mit Speck.
Ich eß auch manchmal auswärts,
nur das Geld ist etwas knapp.
Und wenn ich mit mir selber sprech,
dann geht mir die Frau gar nicht ab.

Sie war eine gute Frau und ich ein guter Mann.
Ich seh mir noch von Zeit zu Zeit das Hochzeitsfoto an.
Dann frag ich mich, wieso es kam, und hab kein Alibi.
Geliebt hab ich sie selbstverständlich nie.

Beide singen
Geliebt? Geliebt?
Geliebt haben wir uns selbstverständlich nie.

(Vom Tonband kommt wieder Orgelmusik und die Stimme des Priesters.)

Stimme des Priesters
Der Herr unser Gott festige euren Entschluß und begleite euch mit seinem Segen. Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. Amen.