Alben & Lieder

Wohin?

1971, Text/Musik: Georg Kreisler

Jugend reimt sich nur auf Tugend, sie hat damit nichts zu tun.
Leben reimt sich nur auf Geben, wie das Korn aufs blinde Huhn.
Und auf jedes bitt're Ende reimt sich fälschlich Dividende.
Auf Regierungskraft reimt sich Führungskraft und auf Geld reimt sich Held.

Doch die Reime führ'n zu gar nichts, die ich mir zusammenleim.
Auf die Liebe, auf den Sinn, aufs Woher und aufs Wohin
weiß ich bis heute keinen Reim.

Man sitzt im Hotelcafé und man war einmal ein Hotelportier
und man fragt ohne Zweck und Sinn: Wohin, Wohin?
Man schaut einen Vogel an und man war einmal ein versierter Mann
und man fragt: Wenn ich's jetzt noch bin: Wohin, Wohin?

Man sagt: "Schönes Wetter heut" oder "Schrecklich, dieser Verkehr".
Man denkt an die andere Zeit: Du da war doch was, ja was war denn das?
Man weiß, daß die Zeit vergeht und man war doch einmal ein Leichtathlet
und man sieht keinen Nutzen drin, Wohin, Wohin?

Immer glaubt man, daß man jemand stört,
immer hat man etwas nicht gehört,
immer hat man etwas nicht geseh'n und was geschah ist nie gescheh'n

Immer nimmt man irgendetwas krumm,
immer ist man weise aber dumm,
immer will mich irgendwer belehr'n, will mir erklär'n,
dann macht er's kanapp und schiebt mich ab.

Ich sitz in der Rathausbar, wo ich selbst einmal ein Beamter war
und ich frag nach dem tiefer'n Sinn: Wohin, Wohin?
Ich sitz auf der Gartenbank und ich sitz auch mal in der Gasthausschank
und ich sitz bei der Enkelin: Wohin, Wohin?

Ich sag "Guten Morgen" oder "Grüß Gott" und "Leben sie wohl"
Ich hab meine Sorgen aber ich schweig davon, denn wer glaubt sie schon
Man geht einen steilen Pfad und man war einmal Herr Kommerzienrat
und man fragt wie von Anbeginn: Wohin, Wohin?

Wohin, Wohin?