Alben & Lieder

Wenn alle das täten

1974, Text/Musik: Georg Kreisler

Bleib’n Sie doch mal Ihrer Arbeit fern,
geh’n Sie stattdessen spazieren!
Wenigstens vormittags! Das macht doch Spaß,
schlafen Sie aus oder lesen Sie was!
Alles wird weitergeh’n ohne Sie;
Sie würden gar nichts riskieren.
Sie werden sagen: Wenn alle das täten,
dann wär das ein schrecklicher Schlag.
Ja – wenn alle das täten, dann hätten halt alle
einen herrlichen Vormittag.
Wenn alle das täten, dann hätten halt alle
einen herrlichen Vormittag.

Oder: Machen Sie grade Ihr Studium?
Und macht das Studium Sorgen?
Na – jung und gesund sind Sie, das ist doch fein,
lassen Sie einfach das Studium sein!
Werd’n Sie verhungern? Bestimmt nicht gleich.
Heute verhungert man morgen.
Sie werden sagen: Wenn alle das täten,
wie soll unsre Welt dann florier’n?
Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten,
dann würde halt niemand studier’n!
Aber sonst würde gar nichts, aber sonst würde gar nichts,
rein gar nichts den Leuten passier’n.

Deswegen geht die Welt doch nicht unter!
Sie geht eher unter, wenn’s so bleibt wie jetzt.
Mut macht erfinderisch, glücklich und munter.
Nur Angst macht uns hungrig, verwirrt und verhetzt.

Sein Sie doch nicht immer so angepasst.
Tun Sie, was andere ärgert!
Andere rechnen, daß Sie sich bemüh’n,
ihnen die Kohl’n aus dem Feuer zu zieh'n.
Finden Sie Kohlen denn wichtiger
als Ihr eigenes Leben?
Sie werden sagen: Wenn alle das täten,
dann würden sich viele doch grämen!
Ja – wenn alle das täten, dann müssten halt alle
mehr Rücksicht auf andere nehmen.
Wenn alle das täten, dann müssten halt alle
mehr Rücksicht auf andere nehmen.


Wer sagt hier: Es muss Ordnung sein?
Unordnung ist doch so heiter!
Nicht immer nützlich und schicklich sein,
einmal auch dumm, aber glücklich sein!
Fällt das elektrische Licht einmal aus,
singt man im Dunkeln halt weiter.
Und wenn der neue Tag anbricht,
dann ist bestimmt wieder Licht.

Lassen Sie Ihre Karriere doch sein –
wem soll die je etwas nützen?
Ja, Sie verdienen sich später einmal krumm,
aber bis Sie das Geld haben, ist die gute Zeit um!
Außerdem müssen Sie Tag für Tag
schuften und schäumen und schwitzen.
Sie werden sagen: Wenn alle das täten,
dann läge die Menschheit ja brach!
Ja – wenn alle das täten, dann dächte man über
das Brachliegen etwas mehr nach.
Wenn alle das täten, dann dächte man über
das Brachliegen etwas mehr nach.

Steigen Sie aus, und die Sorgen verschwinden.
Wer stets zur Hand ist, den kann keiner finden.
Ehrbaren Leuten ist schwer zu verzeih’n,
und der Verlässliche werkelt allein.
Werd’n Sie den morgigen Tag noch erleben?
Lieber am heutigen Tage einen heben.
Fortschritt ist tödlich und Geld keine Frau.
Planung ist falsch und der Himmel ist blau.
Was nützt ein Eigenheim, wenn man nicht froh ist?
Weiß denn ein Meerschweinchen, was Rokoko ist?
Weiß denn ein Truthahn, warum er bestellt ist,
und weiß denn ein Mensch, warum er auf der Welt ist?
Glauben Sie mir: Das beste gegen Nixon oder Breschnew oder Strauß:
Sie steigen aus! Sie steigen aus!

Leb’n Sie doch endlich im Sonnenschein!
Tot sind Sie erst als Gerippe.
Geh’n Sie nicht immer im gleichen Schritt!
Machen Sie einfach den Tanz nicht mehr mit!
Sicher werd’n andere sauer sein;
auch Sokrates hatte Xanthippe.
Sie werden sagen: Wenn alle das täten,
dann würde ja nichts funktionier’n!
Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten,
dann müssten wir improvisier’n.
Dann gäb’s keinen Krieg, keinen Autogestank,
keine schmutzigen Flüsse, keine Nationalbank,
kein Dies nicht, kein Das nicht, dann gäb's eigentlich
nur Menschen wie Sie und mich.